Ein Tag im Leben mit Typ 1

Es ist so weit, heute vor einem Jahr bekam ich die Diagnose „Du hast Typ 1-Diabetes“. Das lädt ja quasi schon dazu ein, einen kleinen Rückblick zu verfassen. Dabei hat das Diabetes-Monster es ja eigentlich überhaupt nicht verdient, Geburtstag zu feiern. Nein, ich schreibe an diesem Tag mal etwas unkonventionelles, völlig alltägliches: Ein Tag im Leben mit Typ 1-Diabetes. So alltäglich, dass das Diabetes-Monster in mir gar nicht erst auf die Idee kommt, groß Party zu feiern. Und wenn doch, dann merke ich das hoffentlich rechtzeitig ;)

Ein (All-) Tag im Leben mit Typ 1 Diabetes.

Der Wecker klingelt um 6:50 Uhr. Zeit, sich noch einmal umzudrehen und die Schlummertaste zu betätigen. Ich rege mich innerlich kurz darüber auf, dass es ja noch so früh ist, dann penne ich auch schon wieder ein. Exakt 9 Minuten später klingelt der Wecker erneut, dieses Mal schalte ich ihn ab. Meine Hand greift zunächst zur Brille, dann zum Lichtschalter. Erste Tätigkeit: Blutzucker messen. Auf dem Nachtschrank liegt mein One Touch Verio IQ mit Teststreifen-Beleuchtung, welches ich derzeit als Messgerät für daheim verwende. Ich nehme einen Teststreifen aus der Packung, schiebe ihn ins Messgerät, welches sich daraufhin automatisch einschaltet und darum bittet, etwas Blut auf den Teststreifen zu bekommen. Mit der Stechhilfe, meiner Accu-Chek FastClix, habe ich mich derweil schon in den kleinen Finger gepikst und trage den Tropfen Blut direkt auf. Nach 5 Sekunden habe ich das Ergebnis: 114 mg/dl. Perfekt! Doch damit ist das morgendliche Ritual noch nicht beendet, denn ich muss noch mein Tagesbasal zu mir nehmen. Ich greife zu meinem Pen, dem NovoPen 4, ausgerüstet mit einer Ampulle Levemir. Es ist noch genügend Insulin vorhanden, ich brauche für den Tag derzeit 8 Einheiten Levemir. Die Anzeige des Insulchecks, das ich an den Pen angebaut habe, zeigt mir an, dass ich vor 8 Stunden und 34 Minuten meine Nachtbasalrate von ebenfalls 8 Einheiten genommen habe. Ich nehme eine frische Pennadel und verabreiche mir das Insulin in den rechten Oberschenkel. Dann stehe ich auf.

Nach der frischen Dusche mache ich mir Frühstück: 2 Toast mit Honig und Nutella, eine Schale Müsli und einen Joghurt. Dazu einen Kaffee aus der Padmaschine. 9 Broteinheiten habe ich mir dafür blitzschnell im Kopf ausgerechnet, für die ich entsprechend Bolusinsulin abgeben muss. Das mache ich noch vor dem Frühstück. Mein morgendlicher Bolusfaktor beträgt derzeit 1,5 Einheiten Novorapid pro Broteinheit – in diesem Fall also 13,5 Einheiten. Da ich aber keine halben Einheiten abgeben kann, stelle ich den Pen auf 13 Einheiten und jage mir das Zeug in den Bauch. Dann wird geschlemmt!

Bevor ich aus dem Haus gehe, schmiere ich mir noch ein Brot und packe einen Babybel dazu (ganz wichtig!), und etwas Obst und/oder Gemüse. Dann setze ich meine Kopfhörer auf, schalte einen Podcast ein, hole das Fahrrad aus dem Keller und mache mich auf den 30 Minuten langen Weg zum Büro.

Auf der Arbeit werden erstmal die Mails gecheckt, Kaffee geholt, dann gehts ans Eingemachte. Gegen 11.30 Uhr merke ich langsam, dass ich hungrig werde. Ich nehme mein Büromessgerät, dass Accu-Chek Mobile, und stelle 109 mg/dl fest. Doch mit dem Essen warte ich noch eine Stunde. Das Wetter ist heute gut, dann verbinde ich das Essen gleich mit einem Spaziergang draußen mit Kollegen. Für das Brot berechne ich 3 Broteinheiten, und da mein Bolusfaktor um diese Zeit bei 1 liegt, verabreiche ich mir passend dazu 3 Einheiten Novorapid aus meinem Büropen.

Gegen 14:30 Uhr hole ich mir erneut Kaffee, messe mal wieder den Zuckerwert (134 mg/dl) und finde rein zufällig ein paar Kekse in der Schublade. Ich schätze hier wieder 3 Broteinheiten ab, gebe nebenbei die passende Menge Insulin ab, und freue mich langsam auf den Feierabend. Leider wird es da schon langsam wieder dunkel, so dass ich mit Licht fahren muss.

Zuhause angekommen, sehe ich erst einmal die Post durch, werfe die Waschmaschine an und überlege mit meiner Freundin, was wir essen wollen. Ich nutze die Zeit außerdem, um die Blutzuckerwerte vom Tag erstmal in mysugr auf dem iPhone einzuspeichern, welches das schriftliche Tagebuch in meinem Falle ersetzt. Zu Essen gibt es heute eine leckere Gemüsepfanne, da wir noch Reste an Gemüse vom Vortag haben das aufgebraucht werden muss. Das ist sogar fast low-carb, ich berechne 2 Broteinheiten und mit dem Bolusfaktor am Abend von 1,5 entsprechend 3 Einheiten Novorapid. Zuvor messe ich natürlich noch einmal meinen Blutzucker und ermittle 121 mg/dl. Heute ist ja wirklich ein hervorragend unaufgeregter Tag für das Diabetesmonster!

Da an diesem Tage Mittwoch ist, steht um 21 Uhr das wöchentliche, virtuelle #dedoc-Treffen auf Twitter an. Gleichzeitig läuft auch noch ein spannendes Champions-League Spiel, so dass ich mich zum Abend hin mit dem Laptop aufs Sofa verziehe. Gleichzeitig Fußball schauen und #dedoc verfolgen – das ist im Jahr 2013 zu einer meiner Lieblingstätigkeiten an einem Mittwochabend geworden! Um Punkt 22 Uhr steht das #dedoc-Blutzuckerbingo an – Zielwert ist heute 111 mg/dl. Ich schnappe mir mein Messgerät, messe 151 mg/dl – etwas hoch, aber nicht beunruhigend – aber auch zu weit entfernt vom Zielwert. Das macht aber nichts, versuche ich es nächste Woche wieder. Und versuche mir gleichzeitig, den Wert zu erklären – vielleicht habe ich in der bunt zusammengewürfelten Pfanne doch etwas übersehen, was ich nicht berechnet habe?

Als das Spiel vorbei ist, gehe ich auch schon fast zu Bett. Aber nicht, ohne vorher das Basal zur Nacht eingenommen zu haben. Wieder wollen 8 Einheiten Levemir verabreicht werden. Ich trage die letzten, noch fehlenden Werte in mysugr an, und dann fallen mir auch schon fast die Augen zu.

Wenn doch nur jeden Tag die Werte so gut wären ;)

2 Gedanken zu „Ein Tag im Leben mit Typ 1

  1. Ute Krabat

    Das ist ein guter Alltagsbericht zu den erforderlichen Tätigkeiten eines Menschen mit Diabetes. Was für mich das Leben mit Diabetes ausmacht, sind jedoch nicht so sehr die täglichen Handgriffe, sondern die ständige innere Auseinandersetzung damit. Das ist auch das, was mir dann manchmal ein wenig an der Seele schmirgelt ;-) Um mal bei deinem schönen Bild mit dem „Diabetes-Monster“ (irgendwo habe ich auch schon von einer „Diabetes-Sau“ gelesen, fand ich auch ganz witzig) zu bleiben, da wären es die ständigen Überlegungen:
    -Wird es gleich was fressen wollen?
    -Wie wird es sich benehmen?
    -Oha, dort ist es immer so aufgeregt, da passe ich mal besonders auf…
    Es ist, als hätte ich es an der Kette und müsste immer darauf gefasst sein, dass es daran ruckt. Natürlich kann ich auch die Kette loslassen, doch dann flippt es vielleicht aus und springt mich von hinten an, reißt mich nieder….
    Das kann jeder locker mal einen Tag machen. Die lange Kette der Tage ist es dann wieder, die es manchmal einfach anstrengend macht und ich persönlich das Monster dann gerne wieder aussetzen möchte ;-)
    Du hast deines ja sogar mit auf Forschungsreise genommen, habe ich grad gelesen. Das ist mal cool.
    Möge es dir immer so locker und leicht sein, wie dein Tagesbericht klingt.
    Meistens kriege ich das auch hin ;-)

    Ute

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  2. tinkengil Beitragsautor

    Danke für deine ergänzenden Anregungen! Es stimmt natürlich, innerlich setze ich mich natürlich noch weit mehr damit auseinander als nur Broteinheiten zu zählen. Aber ich wollte ich erst einmal verdeutlichen, inwieweit mein tatsächlicher Tagesablauf sich von denen, die sich nicht mit dem Diabetes auseinander setzen müssen, unterscheidet.

    Viele Grüße
    Timo

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