Ich bin nun gerade 13 Wochen Typ 1er (oder 94 Tage, wie der schlaue Timer in der rechten Spalte nun aktuell anzeigt), und mache schon meine zweite Schulung mit. Die erste bekam ich direkt in der Klinik, da ich ja auf die Diabetes-Schwerpunktstation des Städtischen Krankenhauses in Kiel gekommen bin. Dort waren wir zeitweise aber nur zwei Typ 1er, und ich der einzige „Frischling“. Die Diabetesberaterin hatte selbst Typ 1, und punktete enorm mit ihrer eigenen Erfahrung. Ich habe in der Schulung sehr viel gelernt, und fühlte mich nach der Entlassung aus der Klinik wirklich gut vorbereitet.
Nachdem die erste Schulung, also mehr eine Art Blockkurs, mich ohnehin schon stark mit Wissen über meinen Diabetes überschüttet hat, und ich mich zudem weiterhin in Büchern und im Internet auf diversen Blogs, Foren etc. informiert habe, mache ich derzeit eine zweite Schulung. Diese ist wöchentlich, und wird von meiner Diabetespraxis angeboten. Sie unterscheidet sich schon deutlich von der Schulung in der Klinik, treffen hier doch sowohl Neulinge als auch alte Hasen, die ihre Diagnose bereits vor 30 Jahren bekamen, aufeinander. Insgesamt sind wir etwa 15 Personen (incl. Begleitpersonen). Die Diabetesberaterin hier hat selbst keinen Diabetes.
In den 13 Wochen habe ich natürlich schon viele Erfahrungen gesammelt, dennoch lerne ich in dieser Schulung noch sehr viel neues. Welche Insuline es gibt, wie eine Insulinpumpe funktioniert und aussieht, wie eine Glukagonspritze verabreicht wird, und natürlich, was andere aus der Gruppe schon so erlebt haben. Wir vergleichen unsere HbA1c-Werte, und schätzen Broteinheiten ab.
Was ich so an interessanten oder lustigen Anekdoten aufgeschnappt habe:
-Typ 2er wollen auf gar keinen Fall den Typ 1 haben, weil sie dann in jedem Falle Insulin spritzen müssten – gilt natürlich nicht für alle Typ 2 Diabetiker, aber bei vielen ist das eine Horrorvorstellung. Das Thema „Was ist Diabetes“ ist offensichtlich in jeder Schulung das erste Thema.
-entsprechend wollen Typ 1er auf gar keinen Fall den Typ 2 haben (aber wer will überhaupt Diabetes haben?)
-Suizid durch eine Kombination aus Betablockern und viel Insulin soll sehr effektiv sein (keine Ahnung, wie das Thema überhaupt aufkam, aber es entstand eine heitere, augenzwinkernde Diskussion)
-Gummibärchen in Fett getunkt sollten den Blutzucker nicht so schnell ansteigen lassen (dieses Fazit zog der jüngste Teilnehmer für sich, nachdem die verzögernde Wirkung von Fett auf den Blutzuckeranstieg besprochen wurde)
-mit Computerviren infizierte Fernbedienungen von Insulinpumpen liefern guten Stoff für Krimis (und mehr Geschichten von Patienten, die im Wartezimmer der Diapraxis Angst haben, ihre Insulinpumpe bzw. Pods über die Fernbedienung zu nutzen, falls man damit zufällig auch die Pumpen von anderen Patienten bedienen könnte)
-Diät-Bier, das 1995 abgelaufen ist, könnte explodieren (und ähnliche Dinge, die die Schulungsleiterin aus ihrem BE-Schätzkorb herausfischte)
-es gibt Typ 2 Diabetiker, die 400 Einheiten Insulin am Tag spritzen müssen (kaum vorzustellen, wenn ich mir meinen Pen so anschaue)
-und Typ 1 Diabetiker, die bei einem BZ von unter 200 mg/dl Panikattacken bekommen
-Insulinpens können in Gaststätten von uneinsichtigen Kellnern auch als Heroinspritze interpretiert werden und zu einem Polizeieinsatz führen…
Es ist auf jeden Fall eine lustige, gemischte Truppe, die da jeden Donnerstag zusammenkommmt. Es werden Fragen gestellt, auf die ich gar nicht gekommen wäre. Es ist spannend zu hören, wie sich die Diabetestherapie in den vergangenen 30 Jahren weiterentwickelt hat. Ich hatte den Eindruck, dass niemand unter der Krankheit dem Diabetes leidet, sondern sich bestmöglich damit arrangiert, um ein unbeschwertes Leben zu führen. Gut so!