Da lebe ich nun schon fast 3 Jahre mit dem Diabetes-Arschloch zusammen (entschuldigt den Ausdruck, aber „Monster“ finde ich als Begriff zu knuffig). Habe Höhen und Tiefen durchlaufen, bin durch die Remission gegangen, habe eine große Community an Gleichgesinnten getroffen und auch mitgestaltet. Habe den technischen Fortschritt begrüßt und mich gleichzeitig über meine Krankenkasse geärgert.
Und vieles gelernt.
Es hilft, mit dem Typ 1 entspannt durchs Leben zu gehen. Ganz besonders empfehle ich wirklich jedem zu versuchen, die Therapie an den eigenen Lebensstil anzupassen – und nicht andersherum. Ich habe Leute kennengelernt, die extrem entschlossen sind, partout immer gute Werte zu haben, die auf Dinge verzichten die sie vorher geliebt haben, bloß um keinen schlechten Blutzucker-Wert zu riskieren. Ist es das wert? Versteht mich nicht falsch, natürlich bringt diese Krankheit viele Einschränkungen mit sich – aber die Therapiemöglichkeiten sind im Jahr 2016 hochflexibel und verzeihen vieles.
Ganz besonders habe ich mich damit abgefunden, dass ich so manche Phasen stark schwankender Werte einfach nicht erklären kann. Alle paar Wochen muss ich bei gleich bleibendem Lebenstil an dem ein oder anderen Parameter herumschrauben, bis es wieder passt. So wie zuletzt, als ich zum ersten mal angefangen habe, mit Spritz-Essabständen herumzuspielen. Das ist natürlich eine Variable, die nicht immer anwendbar ist – aber wenn ich genau weiß, was ich in der nächsten Stunde essen werde, läuft die Rechnung im Kopf schon automatisch ab. Das ist eine weitere Erfahrung – ich rechne meine BE/KE schon gar nicht mehr bewusst in benötigte Insulineinheiten um. Ich weiß bei den allermeisten Sachen intuitiv, wieviel Insulin ich dafür benötigen werde. Das ist eine Entwicklung, die mein Unterbewusstsein erst im letzten Jahr „gelernt“ hat. Irgendwie schon etwas schräg, aber auch beruhigend. Die Gefahr besteht dabei aber, dass ich manchmal vergesse, ob ich schon Insulin gespritzt habe. Deshalb liebe ich meinen Insulinpen mit Display umso mehr, da der sich den letzten Zeitpunkt der Bolusabgabe sowie die Insulinmenge merken kann. Kudos an die Technik.
Apropos Technik: Da es das einzige Gerät dieser Klasse ist, das für mich bezahlbar ist, vertraue ich von Zeit zu Zeit dem Freestyle Libre. Ich empfehle wirklich jedem Typ 1er, dieses Gerät wenigstens einmal auszuprobieren. Wenigstens einen Sensor mal voll durchzutragen, sofern ihr ihn vertragt. Zwei Wochen lang den Verlauf des eigenen Blutzuckerspiegels zu verfolgen, daraus habe ich wahrscheinlich mehr gelernt als in der gesamten Zeit zuvor. Plötzlich kann ich viel besser einschätzen, wie der eigene Körper auf Dinge wie Sport, verschiedene Lebensmittel und Insulinabgaben reagiert. Selbst wenn man hinterher wieder auf die üblichen Teststreifen zurückfällt, dieses Wissen bleibt und ist pures Gold in der eigenen Therapie. Vorsicht ist dennoch geboten, denn die Gefahr besteht, zu häufig zu messen und zu vorschnell etwa einen Korrekturbolus zu geben. Aber die Erfahrung muss meiner Meinung nach jeder für sich selbst machen.
Und nicht zuletzt auch noch mal der dringende Hinweis, dass ihr zwar das Gros der Therapie selbst machen müsst, aber immer jemand da ist, der euch dabei unterstützen kann bzw. muss. Neben eurer ärztlichen Betreuung (und sucht euch nach Möglichkeit eine/n Diabetologe/in, die auf Typ 1 spezialisiert sind) meine ich insbesondere die Community, seien es z.B. bekannte Typ 1er, Stammtische und insbesondere die Online-Community, die über mittlerweile auf diversen Social-Media Platformen zu erreichen ist und in der Regel auch schnell reagiert.
Ihr seid nicht allein. Ich bin nicht allein. Ruhe bewahren und das Diabetes-Arschloch manchmal einfach Arschloch sein lassen, davon geht die Welt nicht unter – sofern ihr euch nicht unterkriegen lasst.
Und damit wünsche ich euch einen schönen und erfolgreichen Start ins Jahr 2016!