Es ging so schnell. Am Montag flog meine Freundin für einen Monat nach Neuseeland. Mir ging es gut. Aber bereits am Mittwoch merkte ich, dass irgend etwas nicht stimmte. Ich fing an, viel zu trinken, weil ich einen wahnsinnigen Durst verspürte. Es war auch ein ungewöhnlicher Durst – ich habe keinen trockenen Mundraum verspürt, sondern brauchte das Gefühl von prickelnder Kohlensäure im Rachen. Ich habe alles getrunken, was ich im Haus hatte – Wasser, einen ganzen Liter Milch in wenigen Minuten, Säfte, Cola, sogar Orangen habe ich mir ausgepresst. In dieser Zeit ging auch mein Kreislauf in den Keller. Ich ging viel und lange draußen spazieren, weil ich dachte, dass ich vielleicht frische Luft bräuchte. Bekomme ich eine Grippe? Lieber noch mehr Vitamine zu mir nehmen.
Am Freitag dann wurde es schlimmer: Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, musste viel schlafen, war total lustlos. Und ich konnte nicht mehr richtig sehen. Ich bin ja ohnehin schon stark kurzsichtig und trage Zeit meines Lebens bereits eine Brille, aber auf einmal konnte ich Gegenstände in größerer Entfernung als 2m nicht mehr scharf sehen. Ich bekam Angst.
Ob die Symptome stressbedingt waren? Solche Fragen fängt man an, sich in solchen Situationen zu stellen. Und weit hergeholt war das nun nicht, da ich ja am Lernen war. In 10 Tagen stand meine letzte Diplomprüfung an. Doch am Samstag ging nichts mehr, ich war nur noch am Vegetieren und dachte, ich müsste bald zusammenbrechen. Ich rief meine Mutter an und informierte sie, dass ich heute noch zum Arzt gehen wollte. Sie kam dann sogar vorbei und begleitete mich. Da Samstag war und alle Arztpraxen natürlich geschlossen waren, gingen wir zur Notfallpraxis der Kieler Ärzte im Städtischen Krankenhaus. Ich wohne nur 5 Minuten Fußweg entfernt, da war das natürlich das naheliegendste.
Der Wartebereich dort war überfüllt mit Kindern, und ich befürchtete schon stundenlange Wartezeit. Doch der Kinderarzt teilt sich mit dem Notfallarzt nur die Anmeldung, so dass ich auch schon nach wenigen Minuten hineingerufen wurde. Der Arzt veranlasste sofort eine Blutzuckermessung, nachdem ich ihm meine Symptome beschrieben hatte, und auch eine Urinprobe musste ich abgeben. Ergebnis: Mein Blutzucker war dermaßen hoch, dass das Messgerät ihn nicht mehr anzeigen konnte (Hi), also wurde noch eine Blutprobe ins Labor geschickt. Ich bekam eine Überweisung in die Klinik, die ich sofort aufsuchen sollte. Glück im Unglück: Das Städtische Krankenhaus hat eine Diabetologische Schwerpunktstation, so dass ich gleich dort bleiben konnte. Mein Blutzucker betrug über 600 mg/dl. Die Ärztin gab mir eine Infusion und eine ordentliche Dosis Insulin, und ich bekam die vorläufige Diagnose vom Diabetes Typ 1. Eine Krankheit, die mich von nun an mein Leben lang begleiten würde.
Ich nahm es gefasst auf. Von Natur aus bin ich niemand, der wegen Aufregung an die Decke geht, aber wie gelassen ich in dem Moment war, finde ich immer noch bemerkenswert. Was das bedeuten würde, das war mir natürlich noch nicht ganz klar, aber das Ausmaß wurde mir noch am selben Tage bewusst. Mehrmals am Tag Insulin spritzen, mehrmals am Tag den Blutzucker messen, die Kohlenhydrate abschätzen und immer Traubenzucker dabei haben – Diabetes Typ 1 in einem Satz zusammenzufassen ist völlig unmöglich. Ich möchte lernen, mit dieser Krankheit umzugehen (nein – ich muss es sogar), ich möchte sie kennenlernen, Ursachen erfahren, Hoffnung gewinnen. Es ist alles so neu, darum habe ich angefangen, alles aufzuschreiben.
Man bereitete mich schon darauf vor, dass ich bis Montag auf dem Flur untergebracht werden müsste, doch es wurde noch ein Zimmer frei. Mein Bettnachbar war ebenfalls Typ 1 Patient, aber schon seit seinem 9. Lebensjahr. Er ist 3 Jahre jünger als ich, und wegen einer schweren Unterzuckerung eingeliefert worden. Zur Zeit wurde er auf ein neues Basalinsulin umgestellt. Von ihm bekam ich im Laufe der Woche sehr viele Tipps zu meiner Krankheit, und er hat mich auch sehr stark aufgebaut – wir sind gute Freunde geworden. Ob es Glück oder gewollt war, dass wir zusammen in einem Zimmer untergebracht waren, weiß ich nicht. Auf der Station war nämlich außer uns nur ein weiterer Typ 1 Patient untergebracht, ansonsten waren es nur Typ 2 Patienten (auch Altersdiabetes genannt).
Diagnose Diabetes. Eine Krankheit, die mich nun mein Leben lang begleiten wird. Mit diesem Blog will ich einerseits mir selbst helfen, Erfahrungen sammeln und diese mit anderen Typ 1 Patienten (auch zukünftigen, die es noch nicht wissen und dann in dergleichen Situation sein werden) teilen. Ich will das Wissen über diese Krankheit verbreiten, denn schon angefangen bei meiner Familie galt es, den Irrtum, dass ich ja nun keinen Zucker mehr essen dürfe, aus den Köpfen auszutreiben.
Kommentare, Tipps etc. sind hier jederzeit willkommen.
hi!
huuu, das erinnert mich gerade an meine eigene diagnose, die nu schon über 20 jahre zurück liegt. ich hab getrunken wie ein loch, besonders milch shakes. natürlich seeeehr vorteilhaft für den blutzucker.
super, dass du dich entschieden hast einen blog zu starten. mir hilft es sehr über den ganzen kram zu schreiben und auch mal dampf abzulassen. versuche eins zu verinnerlichen: du beherrscht den diabetes, nicht er dich!
lieben
gruß
ilka
Pingback: one hundred | Insulinaspekte
Pingback: 2013 war… | Insulinaspekte
Pingback: 2013 war… | tinkengil.com